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“Mein Vater war nicht präsent“

Sagte Barak Obama gestern Abend in einem Interview. Und ich vermute fast, dass seine Töchter irgendwann etwas ähnliches über ihn sagen werden, er hatte sicher auch sehr wenig Zeit für sie.

In der letzten Zeit habe ich ja sehr viele Bildbeiträge gepostet, heute kommt mal ein sehr wortlastiger Beitrag, ist mir aber sehr wichtig. Durch Obamas Aussage und ein Lied, dass ich kürzlich im Radio hörte, wurde ich angestoßen, diesen Text zu formulieren.

Cat`s in the Cradle von Harry Chapin

Hier kommt ein Link zur deutschen Übersetzung:

https://www.songtexte.com/uebersetzung/harry-chapin/cats-in-the-cradle-deutsch-3bd6a428.html

In diesem Lied geht es um einen Vater, der nie Zeit hat für seinen Sohn und wichtige Entwicklungsphasen des Sohnes verpasst, weil die Arbeit des Vaters immer vorgeht. Am Ende lebt der Vater allein, er fühlt sich einsam, er ruft seinen Sohn an, möchte mit ihm sprechen. Doch was antwortet der Sohn: „Ich muss arbeiten, Vater, ich habe keine Zeit.

Es folgt ein Link zu einem Video, hier kann man das Lied anhören.

https://youtu.be/EUNZMiYo_4s

Der Text berührte mich und ich erinnerte mich an meine Kindheit. Mein Vater war meistens von Montag morgens bis Freitag nachmittags beruflich im Aussendienst unterwegs, er übernachtete auswärts. Wenn er freitags nach Hause kam, hatte er Bürokram zu erledigen und war natürlich auch müde von der Woche. Er war zwar eigentlich ein sehr freundlicher Mensch und spielte schon auch mal mit uns Kindern, zumindest so lange wir noch relativ klein waren.

Aber so in etwa ab dem Schulalter war er für mich nicht mehr präsent. Ich hatte den Eindruck, dass er NIE da ist, dass wir keine Gespräche führen, dass er nicht mal weiß, auf welche Schule ich gerade gehe. Wir verloren uns immer mehr aus den Augen. Als ich 30 war und mein erstes Kind erwartete, erkrankte er an Krebs. Es berührte mich kaum, ich besuchte ihn ein einziges Mal mit meiner 8 Wochen alten Tochter im Krankenhaus. Als er bald danach verstarb, nahm ich nicht an der Beerdigung teil. Heute, wenn ich das aufschreibe und erinnere, kommt mir das sehr hart vor. Damals war er für mich einfach so unheimlich fern und fremd. Heute tut mir das sehr leid, ich hätte ihn besuchen sollen und versuchen sollen, den Kontakt wiederherzustellen.

So habe ich meinen Vater am meisten in Erinnerung. Er las Zeitung oder Westernhefte. Und rauchte. „Jetzt muss ich erstmal eine rauchen.“ Diesen Satz hörte ich sehr oft.

Mein Mann berichtet dasselbe aus seiner Kindheit, der Vater war in der Arbeit, wenn er heimkam, mussten die Kinder brav sein, das Zimmer musste aufgeräumt werden. Mein Mann wünschte sich als Kind so oft, dass der Vater etwas mit ihm unternehmen würde. Aber er wurde nahezu immer enttäuscht.

Heute beobachte ich in meinem Bekannten- und Familienkreis manchmal Ähnliches und es schmerzt mich sehr, wenn ich sehe, dass Väter immer arbeiten „müssen“. Natürlich müssen sie arbeiten, häufig ist es ja so, dass sie erstmal die Alleinverdiener sind, weil Mamas erstmal nur für die Kleinkinder da sind. Aber welche Chance verpassen diese jungen Väter eine gute Beziehung zu ihren kleinen Kindern auf zu bauen! Aus meiner Beobachtung heraus nehmen sie sich nach der Arbeit und am Wochenende zu wenig Zeit für ihre Kinder.

Hier bräuchte ich ein Foto von einem Vater, der permanent in sein Smartphone schaut( habe ich aber gerade keines zur Verfügung, deshalb folgendes:)

Ich höre dann von Vätern: „ich möchte,dass meine Kinder lernen alleine zu spielen.“ Klar, sollen Kinder auch alleine spielen. Aber je kleiner sie sind, desto mehr brauchen sie doch Nähe. Im gemeinsamen Spiel erfährt man, was das Kind denkt und wie es fühlt. Dem Kind was vorlesen und sich mit ihm unterhalten, kann so eine intensive Nähe herstellen. Der Mensch ist doch auf Gemeinschaft angelegt. Man heiratet doch auch nicht einen Partner und sagt dann: ich will, dass der andere sich um sich selbst kümmert.

Wenn der Vater erwartet, dass das Kind in seiner Gegenwart allein spielt, macht das Kind das wohl eine Weile, es will ja dem Vater auch gefallen und keinen Ärger mit ihm bekommen. Aber es wird sich dann umso mehr wieder die Nähe,die es braucht, bei der Mutter oder anderen Bezugspersonen holen. Dadurch verpasst der Vater die Gelegenheit Nähe zum Kind aufzubauen und wälzt diese Aufgabe, die auf beide Eltern gleich verteilt sein sollte, auf die Mutter ab. Ich weiß, dass Väter Kleinkindspiele, bei denen man so oft alles wiederholt, sehr langweilig finden. Aber es ist so ein Geschenk, das man den Kindern macht, wenn man sich auf ihre Augenhöhe begibt und auf ihre Art spielt. Ist das so viel verlangt, den Kindern eine Art von Zuwendung zu schenken, die ihrem Entwicklungsstand gerecht wird? (Je größer sie werden, suchen sie sich eh Freunde, da brauchen sie die Eltern nicht mehr so sehr.)

Wenn ich auf Firmenwebsites , die für Kinderprodukte werben, lese, dass die Herausgeber ihre Kinder lieben, dann aber erlebe, dass sie sich einfach kaum Zeit nehmen für ihre Kinder, dann macht mich das ziemlich traurig und sprachlos. Lieben sie ihre Kinder nur, wenn die möglichst wenig stören, möglichst nur allein spielen und keine Erwartungen an die Eltern haben? Lieben sie ihre Kinder, weil sie sie für Werbezwecke gut gebrauchen können?

Ich wünsche mir, dass Väter endlich begreifen, dass die Elternschaft ein gleichberechtigtes „Projekt“ ist, das Mutter und Vater beide sich gleichmäßig um die Kinder kümmern. Ja, in vielen Fällen arbeitet der Vater die ganze Woche und möchte dann am Wochenende „frei“haben. Aber die Mutter arbeitet ja auch die ganze Woche – als Hausfrau und Mutter und erhält dafür nicht mal Lohn. Sie möchte auch am Wochenende frei haben.

Ich wünsche mir, dass Väter die Beschäftigung mit ihren Kindern nicht länger als lästig, als zeitstehlend, als langweilig empfinden. Sondern als Bereicherung für sich und das Kind und als Entlastung für die Mutter.

Ich wünschte mir, dass Väter nicht das erleben müssen,was in dem Lied oben beschrieben wird.

Väter seid präsent für eure Kinder! Seid in der Zeit, die ihr mit ihnen verbringt, ganz bei der Sache und nicht innerlich beim nächsten Projekt.

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Sätze, die mich bis heute prägen

„Im Krieg wären wir so froh gewesen, über das bisschen Butter, das noch an so einem Butterpapier hängt. Wir hätten es sehr sorgfältig abgekratzt

An diesen Satz meiner Mutter muss ich IMMER denken, wenn ich Butter verwende. Ich kratze das Papier auch immer brav sorgfältig ab.
Um auch den letzten Rest aus Behältern zu benutzen, „baue“ ich Konstruktionen, damit ja nichts verschwendet wird. Das hat Mama uns antrainiert.
Vielleicht das krasseste Beispiel ihrer Sparsamkeit (abgesehen davon, dass sie Kaffeefilter leerte, das Papier trocken ließ, und mehrfach zum Filtern verwendete), das krasseste war aber, dass sie uns beibrachte, wie man mit nur 1 Blatt Toilettenpapier auskommen kann: Man muss ein Drittel einfallen, dann längs falten

Dann hat man am oberen Ende des Blattes ein viertägiges Teil. Das reicht fürs „kleine Geschäft“, sagte sie.

Ich glaube, in unserer Familie hielt sich niemand außer sie an diese irre Sparsamkeitsregel.

Aber: diese Sparsamkeit hatte auch ihre guten Seiten. Gestern suchte ich nach einer Möglichkeit, den kaputten Teil meines Reißverschlusses an meinem Wintermantel zu reparieren. Und was fand ich?

Sie hat einfach ALLES aufbewahrt. Danke Mama!!!
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Wege aus dem Burnout

In einem früheren Beitrag (http://www.artbuddynews.com 20.9.2020) berichtete ich schon einmal kurz über Burnout und Depressionen. Und darüber, wie ich durch die Malerei immer wieder Auswege fand.

Als alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern kam ich eigentlich ganz gut klar. Schwierig war das fehlende Geld, es war immer zu knapp. Also fing ich etwa eineinhalb Jahre nach der Trennung wieder an in meinem Beruf als Fachlehrerin zu arbeiten. Dies fiel mir sehr schwer. Meine Jüngste war gerade eingeschult worden, sie hatte gleichzeitig mit mir Schulanfang. Natürlich hatte ich oft länger Unterricht als sie. Sie musste allein heimkommen und erstmal auch allein sein, bis die ältere Schwester und ich dazu kamen. Da ich keine Verwandten in der Nähe hatte, ging es nicht anders. Mich in der Schule mit Schülern zu beschäftigen, die gar keine Lust auf Lernen hatten und zu wissen, dass meine eigenen Kinder allein zuhause waren, belastete mich. Zuhause für alles zuständig zu sein: Hausarbeit, Gartenarbeit, Finanzen, Auto etc. machte es nicht einfacher. Ich geriet immer mehr in trübsinnige Gedanken, Selbstvorwürfe, Depressionen. Die Vorstellung morgens aufzustehen und in die Schule zu gehen, stand jeden Tag wie ein Berg vor mir. Schließlich ging ich zu einem Therapeuten zur Beratung. Er gab mir Tabellen, in die 4 Wochen lang stundenweise eintragen sollte, was ich genau an jedem Tag getan hatte und ich sollte farblich markieren und einteilen:Schul-bzw. Hausarbeit ,soziale Begegnungen, Entspannung, Schlaf. Erst dachte ich, der sei verrückt, ich hatte ja eh schon so viel zu tun, nun sollte ich auch noch Tabellen ausfüllen. Ich tat es aber gewissenhaft und legte die Tabellen nach vier Wochen, wie gewünscht, vor.

Er sagte: Kein Wunder, dass Sie einen Burn out haben, bei diesem Arbeitspensum. Ich wundere mich eher, dass es Ihnen nicht noch schlechter geht. Sie machen viel zu viel. Es sind kaum Entspannungsphasen auf ihrem Plan, kaum Treffen mit Freunden u.ä. Und er gab mir die Aufgabe möglichst täglich Spaziergänge zu unternehmen, mich mit Freunden zu treffen und vor allem Pausen einzuplanen.

Ich versuchte seine Vorschläge umzusetzen. Das war neben der Malerei, die mir ja häufiger aus depressiven Phasen geholfen hatte, ein guter Weg für mich. Natürlich gelang es nicht alles auf einmal und dauerte seine Zeit und ich ging noch länger zu den Therapiestunden. Aber ein Anfang war gemacht.