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Leseratte und Bücherwurm 6

Kürzlich bekam ich dieses Buch geschenkt:Für mich ein großer Lesegenuß! Hilde und Gretl waren zwei Kusinen, die jahrelang in einem Haus zusammenwohnten und anscheinend nichts wegwerfen konnten. Alles wurde gesammelt, teils geordnet, teils sehr wirr. Die Leute, die dann nach dem Tod der Kusinen nach vielen Jahren dieses Haus kauften, hatten erstmal sehr viel zu tun mit dem Sichten der Dinge, die sich nach wie vor unter Spinnweben im Haus befanden. Dies erinnerte mich natürlich sehr stark an die Haushaltsauflösung, die ich letztes Jahr im Haus meiner Mutter durchführte. ( siehe ältere Beiträge hier im Blog) Unglaublich, was Menschen alles horten. Denken sie nie darüber nach, dass mal jemand nach ihnen damit sehr viel Arbeit hat?

Noch beeindruckender ist dieses Buch, das ich mir mal per Fernleihe aus der Bibliothek bestellt hatte. Es ist leider sehr teuer.Ich habe es mit großem Interesse gelesen. Armand hatte sich in seinen mittleren Lebensjahren eine Hütte in einem riesigen Waldgrundstück im Tessin gekauft. Dort lebte er als Einsiedler und beschäftigte sich ausschließlich damit Wissen zu sammeln. Alles notierte er in vielen Büchern und auf kleinen Blechtäfelchen, diese ordnete er nach eigenem System in seinem Wald an, als eine Art von Enzyklopädie. Er hat ungeheuer viel gelesen, geschrieben und auch Collagen angefertigt. Leider hatten seine Erben keinerlei Verständnis für seine Arbeit, die eine Art Kunstwerk war und sie verbrannten nach seinem Tod alles, was sich in der Hütte befand. Ein sehr kleiner Teil konnte gerettet werden und befindet sich heute in einem Museum in Lugano. Ungeheuer beeindruckend, mit welcher Energie Armand Schulthess etwas erschuf, was er nur für sich selbst tat. Er las, um zu ordnen. Damit wurde er natürlich nie fertig, es kamen ja immer neue Themen dazu. Unvorstellbar, was ihn da antrieb, was ihn motivierte, er hatte auch keinen Menschen, mit dem er sich über diese Dinge hätte austauschen können. Sehr faszinierend!!!

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Gesammelte Werke, Teil 4

Und neben dem was schon alles hier gezeigt wurde , gab es unendlich viele Zettel. Mutter notierte sich alles:

Arbeitslisten, Einkaufslisten,Dinge, die sie wissenswert fand aus der Zeitung oder Tv, sie sammelte ausgeschnittene Artikel, Werbeanzeigen, Briefe, Postkarten, insgesamt bestimmt ein kleines Zimmer gefüllt voll nur mit Papier:

an jedem Zettel klebte noch ein extra Post it, dann noch extra Zettel mit Büroklammern angeheftet, alles zusammen in ein Tütchen…

Ich füllte mindestens 5 gelbe Säcke nur mit kleinen Plastiktüten aus dieser Sammlung….Da sie jahrelang getöpfert hat, gab es auch viele Töpferwaren im Haus, davon ist hier nur ein kleiner Teil zu sehen.

Die Möbel und ihr Geschirr, alle anderen Gegenstände im Haus, ihre Hutsammlung, bestimmt 100 Stück, Bilder usw. würden soweit möglich bei eBay verkauft, beziehungsweise in einen 2.Handladen gebracht.

Am Schluss blieb dies übrig aus einem über 80jährigen Leben:

ein Wagen voll Dinge, die sie mit ins Heim nahm….

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Gesammelte Werke oder: Was bleibt übrig von unserem Leben?

Im vergangenen Jahr mussten wir den Haushalt meiner Mutter auflösen. Sie ist 1930 geboren, hat im Krieg durch Bomben, die auf ihr Elternhaus fielen, das meiste ihres Hab und Guts verloren. 1949 heiratete sie unseren Vater, lebte mit ihm in Mietwohnungen bis 1967. Und dann lebte sie bis 2017 , also 50 Jahre lang im eigenen Reihenhaus. 90qm plus Keller plus Dachboden plus Gartenschuppen gut gefüllt mit allen möglichen Dingen des täglichen Lebens.

Beim aussortieren und ausräumen fing ich irgendwann an, erstmal alle Gegenstände gleicher Art an einem Platz zu sammeln, um einen Überblick zu bekommen….

Zum Beispiel waren in jedem Stockwerk an verschiedenen Stellen Handspiegel und Vergrösserungsspiegel aller Art.

In ihren Handtaschen ( die ich leider nicht fotografiert habe), fand ich diese ansehnliche Sammlung von Taschenspiegeln.

dann: Kämme, Bürsten, Nagelfeilen,Taschenmesser…Dosen aller Art…auch Holzdosen und Schatullen…Bürsten aller Art…Kirschenentsteiner, Fusshocker, Brillen, Brillenetuis, Lupen….

Nürnberger Trichter, Schweine, Flohhüpfspiele, ein Teil der T Shirts ( es gab noch mehr!)und leere Tintengläser. Sie hat sehr viele Briefe geschrieben, alle von Hand.

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Itsi Bitsy Wollbikini – jetzt im Museum

Als ich klein war, gab es in unserem Haushalt eine Kiste mit Wollresten. Darin liegt schon seit ewigen Zeiten , also mindestens seit der Zeit, als ich stricken lernen wollte, ca. 1968 , ein blauer Wollbikini. Als ich kürzlich den Haushalt meiner Mutter entrümpelte, fand ich diesen Wollbikini wieder, immer noch in einer Plastiktüte, völlig intakt, mit Mottenpapier geschützt vor Schädlingen:Ich fand dann auch Fotos in alten Fotoalben, auf denen Mama diesen Bikini trug. Sie hatte ihn wohl für ihre Hochzeitsreise gekauft, ( 1949) und ihn auch bei dieser Gelegenheit getragen. Schwimmen konnte sie nicht, dafür hätte sich die dicke schwere Wolle wohl auch nicht geeignet. Hier trägt sie den Bikini auch, ( 1953) , am Chiemsee, neben ihr steht ihr 8 Jahre jüngerer Bruder.

Ich fand es zu schade, diesen Bikini wegzuwerfen. Ich bot ihn drei Museen zum Ankauf an. Am schnellsten antwortete das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ( aber auch das Textilmuseum in Hannover und noch ein weiteres Museum hätten Interesse an dem kessen Bikini gehabt). Aber ich verkaufte das gute Stück dann nach Nürnberg, schließlich ist meine Mutter Nürnbergerin und so bleibt ihr Bikini und die Geschichte dazu in ihrer Heimatstadt in einem großen Museum erhalten. Ich freue mich schon darauf, das gute Stück dort mal in einer Ausstellung bewundern zu können. Sicher hab ich dann auch gleich wieder den Geruch von Mottenpapier in der Nase und die Erinnerung an die Wollrestekiste, ein alter Rama Karton. Und die Erinnerung an meine ersten Strickversuche…..

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Aus dem Nähkästchen geplaudert

Im Zuge der Haushaltsauflösung meiner Mutter verkaufte ich einige Dinge aus ihrem Haushalt, die ich zu schade fand zum Wegwerfen. Zum Beispiel dieses Nähkästchen, das meine Mutter viele Jahre begleitet hat. Eine Käuferin interessierte sich dafür, ich wollte 30 Euro dafür haben, sie bot 20 und ich verkaufte es ihr samt Inhalt, wie gesagt zum Wegwerfen fand ich es zu schade und ich selbst konnte es auch nicht gebrauchen, meine Nähutensilien sind auch schon gut sortiert. Sie nahm es also mit.

Einige Zeit später besuchte ich meine Mutter in dem Heim, in dem sie nun lebt. Sie wollte unbedingt genau dieses Nähkästchen samt Inhalt zurück haben , obwohl sie ja kaum mehr sehen und bestimmt nichts mehr nähen kann. Ich sagte ihr, dass es verkauft ist. Da sie sich schrecklich aufregte, versuchte ich per Ebay ein ähnliches zu finden und dachte , ich könnte ihr dann ein anderes , möglichst ähnliches in ihr Heimzimmer bringen, um sie zu beruhigen.

Und tatsächlich: Ich fand eines bei Ebay: Nämlich genau ihres, ich erkannte es an der Brandstelle am linken vorderen Bein.und an den Fotos vom Inhalt. Es war noch genauso sorgfältig einsortiert, wie meine Mutter es immer eingeordnet hatte. Wollstopfgarn und Baumwollstopfgarn, Nähseiden, und vor allem Hutgummis aller Art. Bis heute geht meine Mutter ja nie ohne Hut aus dem Haus! Die Verkäuferin hatte es von der Frau geschenkt bekommen, die es von mir gekauft hatte. Und wollte es nun für 60 € weiterverkaufen.

Sie reservierte es für mich und mein Mann und ich fuhren hin. Tatsächlich war alles noch alles genauso drin. Wir handelten ein bisschen und kauften es für 50€ zurück und brachten es direkt zu meiner Mutter ins Heim.

Sie kann zwar wirklich nichts mehr damit anfangen, aber es gibt ihr ein bisschen mehr das Gefühl etwas von zuhause zu haben.