Aktuell las ich „Das verborgene Wort“ von Ulla Hahn.
Ich hatte es kurz nach der Erscheinung schon mal gelesen, es war mir empfohlen worden und mir gefiel das Cover. Jetzt las ich es also noch einmal. Den Einstieg finde ich wunderbar, daran konnte ich mich auch noch gut erinnern, weil mir der Umgang des Großvaters mit den Enkeln so gut gefiel, auch das Spiel mit den Steinen am Rhein. Es ist so geschrieben, dass ich immer weiter lesen wollte, wissen wollte, wie es weitergeht und ob alles ein gutes Ende nimmt. Jetzt frage ich mich: hat die Autorin das alles selbst erlebt? Und warum nennt sie es dann Roman und nicht Biografie? Es ist doch eine sehr lange Aneinanderreihung von Erlebnissen, die man in ähnlicher Art und Weise doch schon häufiger gelesen hat. Und: Sehr vieles dreht sich um das Thema: Sex. Weil sich das gut verkauft? Wenn die Hauptperson doch so belesen war, wie sie schreibt, warum weiß sie dann selbst mit 15 noch nicht, wie genau Geschlechtsverkehr vor sich geht? Manches ist einfach nicht ganz so stimmig in dem Buch. Durch die vielen Anekdoten, die hier erzählt werden, erinnerte ich mich an ein anderes Buch, das ich schon lange besitze:
Ein Buch mit Anleitungen zum kreativen Schreiben. Unter anderem empfiehlt die Autorin alte Fotografien und Familiengeschichten zu sammeln und diese als Schreibanlass zu verwenden.
Ist Ulla Hahn vielleicht ähnlich vorgegangen? Hat sie alle Geschichten aus Familien-und Freundeskreis gesammelt und in ihrem Buch verarbeitet? Denn darin ist alles versammelt: ein böser Grundschullehrer, ein böser Vater, ein verständnisvoller Lehrer, ein guter Pfarrer, ein sexuell gieriger Aushilfspfarrer, arme Leute, reiche Leute, erste sexuelle Erfahrungen mit der besten Schulfreundin usw., also die komplette Bandbreite von Erlebnissen speziell in den 50er Jahren.
Eva Maria Altenmöller ist jedenfalls in ihren Büchern:
Herzensdinge, Seelenruhe und Gelassenheit mit Sicherheit so vorgegangen, dass sie alle möglichen Geschichten, die vorwiegend andere erlebt haben, so in dieser Trilogie erzählt, das man staunt, was sie da alles beschreibt,man denkt, sie hätte alles selbst erlebt und man wundert sich, wie beschaulich ihr Leben verläuft.
Dazu habe ich selbst eine interessante Geschichte, die ich mit diesen Büchern von Frau Altemöller erlebt habe:
Seit Jahren machte ich mit meinen Töchtern Urlaub auf einem kleinen Ponyhof in Bayern, ganz in der Nähe der wunderschönen, mittelalterlichen Stadt Rothenburg ob der Tauber. An Regentagen besuchten wir dann gern die Buchhandlung von Frau Altemöller in Rothenburg. Die Atmosphäre dort war märchenhaft: Immer war leise, angenehme, klassische Musik zu hören. Es gab kleine, gemütliche Ecken mit Sitzgelegenheiten, so dass man wirklich ungestört in den Büchern blättern und gut auswählen konnte. Dabei fand ich besonders anregend, dass die Inhaberin in viele Bücher ca. Din A 6 große, farbige Pappen gesteckt hatte. Darauf hatte sie handschriftlich eine Inhaltsangabe oder besondere Hinweise gegeben: “ dieses Buch müssen Sie unbedingt lesen, weil…“ und dann folgte ihre persönliche Empfehlung. Dadurch war es sehr angenehm und leicht in der grossen Auswahl etwas ansprechendes zu finden. In einem hinteren Teil des Ladens stand auf einer Art Empore ein riesiger antiker Schreibtisch. Der war rundherum mit Broschüren, Tageszeitungen, Rechnungen, Papieren aller Art so hoch aufgetürmt, dass man die Person, die dahinter sass, gar nicht mehr sehen konnte. Ob dieser Arbeitsberg je abzuarbeiten war? An einer Säule im Laden stand ein kleiner, runder Tisch mit zwei Korbstühlen. Auf dem Tisch eine Kaffeemaschine, Geschirr und immer! frisch gebackener Kuchen. Man durfte sich kostenlos bedienen! Es war ein Fest für alle Sinne sich in diesem Laden aufzuhalten und natürlich kauften wir dort gern ein, Bücher, Postkarten und sehr schöne Geschenkpapiere. Und Frau Altemöller besaß nicht nur diesen Laden, sondern noch zwei weitere in Rothenburg und zwei in Ansbach, die alle ähnlich schön gestaltet waren. Für uns war diese Läden ein Paradies! Dazu schrieb sie auch noch solch schöne Bücher, wie das über das kreative Schreiben ( dieses ist zudem mit wundervollen Illustrationen von ihr selbst ausgestattet) und die Serie „Herzensdinge“, mit Hinweisen, wie man selbst im Alltag Glück erleben kann. Ich war jahrelang total fasziniert von dieser Frau, die anscheinend alles konnte: Geschäfte führen, schreiben, ihren Rosengarten pflegen, Kekse backen mit ihren Kindern, zeichnen und dann noch genussvoll in Ruhe Tee trinken. Wie schaffte sie das alles bloß? Es war mir rätselhaft. Mir gelang es nie, so vieles in meinem Leben unterzubringen.
Dann lernte ich eines Tages auf dem Ponyhof eine Frau kennen, die in einer dieser Buchhandlungen angestellt war. Ich erzählte ihr von meiner Bewunderung für Frau Altemöller und fragte sie, wie das wohl alles so möglich sei. Die angestellte Buchhändlerin lächelte und sagte: alles Fiktion! Die Autorin hat weder Familie noch Garten, sie bäckt auch nicht, schreiben kann sie wohl, beim Führen der Geschäfte hat sie Hilfe…
Ich war dann doch sehr beruhigt und zufrieden, hatte ich doch schon gedacht, ich sei irgendwie als alleinerziehende,berufstätige Mutter irgendwie zu langsam oder zu schlecht organisiert, dass ich nicht alles schaffen konnte, was diese Dame zuwege brachte…
Frau Altemöller kann sehr gut schreiben und ihre Geschäfte sind wunderschön gestaltet, nach wie vor, inzwischen nicht mehr in Rothenburg sondern in Lindau. Und ich gehe gern dorthin und kaufe gern dort ein. Aber ich glaube nicht mehr alles, was ich von ihr lese. Und das beruhigt mich.