Nachdem ich durch den Workshop ermutigt war, weiter zu malen, besuchte ich eines Tages eine kleine Werkausstellung von Studenten der Kunstakademie in Schwäbisch Hall. Dort wurden Arbeiten ihres Vorbereitungssemesters gezeigt. Ich betrachtete die Zeichnungen und Drucke, die auf langen Tischen ausgelegt waren. Ein Mann trat zu mir und sagte zu mir: „Das können Sie auch!“ Ich schaute ihn erstmal sprachlos an, woher wusste er, welche Gedanken mich bewegt hatten? Nämlich genau die Frage: „Könnte ich das auch?“ Später stellte sich heraus, dass es der Leiter und Gründer der Akademie war, Herr Michael Klenk, der dort bis heute unterrichtet. Ich nahm einen Flyer mit und meldete mich tatsächlich für das Herbstsemester an. Ein Malkurs, der mittwochs stattfand, an meinem freiem Tag. Bei der ersten Veranstaltung erklärte uns Frau Susanne Neuner, wie man Farbpigmente zu Eitemperafarben verarbeitet. Dann sagte sie, wir sollen das Thema: „Inhalt“ malen. Und verließ den Raum. Ich erinnerte mich an meinen Zeichenlehrer am Gymnasium, der ja auch immer aus dem Unterricht verschwunden war…und wurde immer aufgeregter. Was sollte ich bloß malen? Und was, wenn es nichts wurde? Und wenn die anderen Schüler besseres malten? Zuerst versuchte zaghaft den Inhalt meiner Handtasche zu zeichnen, wie von Frau Neuner vorgeschlagen. Das sah nach gar nichts aus, ich wurde immer mutloser. Dann versuchte ich es mit dem Inhalt eines Glases,das im Regal stand:

Wie sollte das beim nächsten Mal weitergehen? Aufgeregt fuhr ich am nächsten Mittwoch wieder hin. Ich zitterte richtig, weil ich doch so gerne malen lernen wollte, aber so unsicher war. Und bezahlt hatte ich schließlich auch einiges.
Diesmal erklärte uns Frau Neuner, wie man Papier nass auf ein Brett aufzieht und grundiert, um darauf zu malen, ohne, dass es sich wellt. So braucht man nicht immer neue Leinwände. Dann meinte sie, wir sollen nochmal „Inhalt“ malen. Ich war gewappnet und hatte eine Schale und Äpfel von zuhause mitgebracht, malte also den Inhalt einer Obstschale.

Dieses Mal war ich schon zufriedener mit meiner Arbeit.


Nach und nach fühlte ich mich etwas sicherer. Und übte: Sehen. Und übte: Malen.
Am Ende jeder Unterrichtseinheit stellten wir alle Bilder nebeneinander und verglichen, gaben gegenseitig Tipps. Keiner kritisierte den anderen negativ, man ließ sich gegenseitig stehen. Es waren Schüler dabei, bei denen ich mich fragte, warum sie einen Malkurs besuchten, obwohl sie in meinen Augen perfekt malen konnten. Andere waren noch unsicherer als ich. So gingen wir gemeinsam den Weg durch das Herbstsemester. Mich beflügelten diese Stunden und ich fing an, auch daheim immer mehr zu malen, zu zeichnen, Collagen anzufertigen. Skizzenbuch und Skizzenbuch füllte sich.