Oma, erzählst du uns von früher?, Was vom Leben übrig bleibt

Gesammelte Werke, Teil 4

Und neben dem was schon alles hier gezeigt wurde , gab es unendlich viele Zettel. Mutter notierte sich alles:

Arbeitslisten, Einkaufslisten,Dinge, die sie wissenswert fand aus der Zeitung oder Tv, sie sammelte ausgeschnittene Artikel, Werbeanzeigen, Briefe, Postkarten, insgesamt bestimmt ein kleines Zimmer gefüllt voll nur mit Papier:

an jedem Zettel klebte noch ein extra Post it, dann noch extra Zettel mit Büroklammern angeheftet, alles zusammen in ein Tütchen…

Ich füllte mindestens 5 gelbe Säcke nur mit kleinen Plastiktüten aus dieser Sammlung….Da sie jahrelang getöpfert hat, gab es auch viele Töpferwaren im Haus, davon ist hier nur ein kleiner Teil zu sehen.

Die Möbel und ihr Geschirr, alle anderen Gegenstände im Haus, ihre Hutsammlung, bestimmt 100 Stück, Bilder usw. würden soweit möglich bei eBay verkauft, beziehungsweise in einen 2.Handladen gebracht.

Am Schluss blieb dies übrig aus einem über 80jährigen Leben:

ein Wagen voll Dinge, die sie mit ins Heim nahm….

Oma, erzählst du uns von früher?, Was vom Leben übrig bleibt

Gesammelte Werke oder: Was bleibt übrig von unserem Leben?

Im vergangenen Jahr mussten wir den Haushalt meiner Mutter auflösen. Sie ist 1930 geboren, hat im Krieg durch Bomben, die auf ihr Elternhaus fielen, das meiste ihres Hab und Guts verloren. 1949 heiratete sie unseren Vater, lebte mit ihm in Mietwohnungen bis 1967. Und dann lebte sie bis 2017 , also 50 Jahre lang im eigenen Reihenhaus. 90qm plus Keller plus Dachboden plus Gartenschuppen gut gefüllt mit allen möglichen Dingen des täglichen Lebens.

Beim aussortieren und ausräumen fing ich irgendwann an, erstmal alle Gegenstände gleicher Art an einem Platz zu sammeln, um einen Überblick zu bekommen….

Zum Beispiel waren in jedem Stockwerk an verschiedenen Stellen Handspiegel und Vergrösserungsspiegel aller Art.

In ihren Handtaschen ( die ich leider nicht fotografiert habe), fand ich diese ansehnliche Sammlung von Taschenspiegeln.

dann: Kämme, Bürsten, Nagelfeilen,Taschenmesser…Dosen aller Art…auch Holzdosen und Schatullen…Bürsten aller Art…Kirschenentsteiner, Fusshocker, Brillen, Brillenetuis, Lupen….

Nürnberger Trichter, Schweine, Flohhüpfspiele, ein Teil der T Shirts ( es gab noch mehr!)und leere Tintengläser. Sie hat sehr viele Briefe geschrieben, alle von Hand.

meine Kunst, Oma, erzählst du uns von früher?

Malkurs an der Kunstakademie Schwäbisch Hall

Mit wackeligen Knien, sehr aufgeregt ging ich dann im September zum ersten Mal zur Akademie. Als erstes nahm ich den Geruch im großen Malatelier war, es roch nach Leinöl, nach Pigmenten, nach Papier. Dann kam Susanne Neuner, die Leiterin des Malkurses. Sie erklärte wie man Papier aufzieht und grundiert, wie man Eitempera herstellt, das fand ich alles wunderbar. Dann ging es ans Malen. Thema: INHALT.

Uff, ich zitterte wirklich, meine Hände waren kalt. Was sollte ich zu diesem Thema bloß malen? Ich fing an, mit dem Inhalt meiner Handtasche, nebenbei schielte ich natürlich, was die anderen Kursteilnehmer malten. Hilfe, die waren alle viel besser! Ich hatte mich wohl überschätzt…Ich versuchte es nochmal: Inhalt eines Glases, mit Pinseln darin…Es ging ein bisschen besser, die Zeit verflog…Ich war auch hier nicht so zufrieden mit meinem Ergebnis, aber ich hatte doch Lust und Mut bekommen , weiter zu machen. Zuhause fügte ich noch den orangenen Kreis hinzu. In der nächsten Woche versuchte ich mich am Inhalt einer Tube:hier wagte ich mich an die Eitemperaherstellung und die Verwendung der Pigmente…und es machte mir Spaß, wenn auch das Bild noch nicht so wurde, wie ich wollte.

Wieder eine Woche später: Inhalt einer Obstschale:Ich wurde sicherer, die anderen Kursteilnehmer malten jeder für sich, keiner war kritisch oder äußerte sich abfällig. Ich fing an, mehrere Stillleben zu malen, der Umgang mit den Pigmenten und der Eitempera machte mir viel Freude und ich genoß die Malstunden mehr und mehr. Natürlich meldete ich mich fürs nächste Semester an. Da beschlossen wir als Teilnehmergruppe uns alle zusammen an einem Stillleben zu versuchen, jeder aus seinem Blickwinkel.Niemals hätte ich mich vorher an Gläser herangewagt. Wie soll man etwas durchsichtiges malen??? Das Malen wurde zunehmend Lebenselixier.

meine Kunst, Oma, erzählst du uns von früher?, Schwierige Zeiten

Schwierige Zeiten

In meinem Leben gab es immer wieder depressive Phasen, schwierige Zeiten. Nach der Trennung von meinem ersten Ehemann, nach vielen Jahren als alleinerziehende, berufstätige Mutter hatte ich wirklich Probleme. Ich fühlte mich so:Innerlich schwer verbrannt, abgewandt von der Aussenwelt, im Grunde genommen tot. Ich wollte nichts mehr sehen und hören, am liebsten nur schlafen, einfach weg sein. Um mich herum war alles schwarz, die kleinen Lichtblick rechts oben konnte ich in meinem Leben nicht mehr sehen.

Ich suchte einen Therapeuten auf. Er half mir Lebenslügen aufzudecken, die mich teilweise seit der frühen Kindheit begleiteten, z.B. “ du bist nicht gut genug“ und ähnliche Sätze, die man mir gesagt hatte. Auch hier war Malen wieder mal, wie schon öfter in meinem Leben, eine gute Möglichkeit zur Selbstheilung.

Die Lügen mussten durchgestrichen und durch Wahrheit ersetzt werden! Links unten keimt neue Wahrheit und ein bisschen Lebensmut…

Manchmal war mein Gefühl auch so: Ich stehe in einem Flur, es gibt nur verschlossene Türen, bzw. Türen, in die ich absolut nicht hineingehen darf, verbotene Wege, oder gefährliche Wege. Ich bin klein, in zu grosser Kleidung, es scheint auch keinen Ausweg zu geben.Ich liege platt und ko auf einem Weg, den ich wohl gehen möchte, Freunde ziehen mich ein Stück mit, letztlich gehen sie dann aber ihrer Wege und lassen mich liegen.

Wie soll es nur weitergehen? Wohin soll ich, wohin will ich? Ich kann allein nicht weiter, aber Freunde können auch nicht wirklich helfen. Ich bin verzweifelt. Ich melde mich zu einem Malworkshop an… ich hoffe dort ein bisschen dazuzulernen, bin immer viel zu kritisch, was meine Bilder angeht.Dort sollen wir eine Muschel malen. Ich male meine groß über das ganze Blatt verteilt, und an einer Stelle explodiert etwas aus dem Inneren Heraus. …

Das zweite Bild, das ich in dem Workshop male ist dieses: Ich stehe ganz allein, ich will nichts sehen, die Tigeraugen, die Gefahr lauert, die Würgeschlange der Sünde drückt mir die Luft bald ab, der gierige Hund sieht freundlich aus, ist es aber nicht. Ich selbst habe überhaupt keine Kontrolle, bin machtlos und hilflos. Obwohl es in dieser christlichen Freizeit viele Menschen gibt, die allen an verschiedenen Workshops teilnehmen, fühle ich mich total einsam. Ich bin in einer schrecklichen Verfassung.

Die Leiterin des Workshops bemerkt es und fragt, was mir denn helfen könnte??? Das weiß ich leider auch nicht…Ich male dies als nächstes Bild “ unter seinen Flügeln bin ich geborgen“… Ein bisschen rede ich mir das selbst ein, ich fühle mich ein bisschen besser, aber nicht wirklich befreit. Die Flügel scheinen eher schwer auf mir zu liegen und engen meine Bewegungsfreiheit ein….

In diesem Workshop höre ich zum ersten Mal von dem Thema “ Hochsensibilität“ und es hilft mir etwas, mich besser zu verstehen, vor allem der Tipp, Ruhephasen für mich ein zu planen, in denen ich mich vor allen Einflüsse zurück ziehe und nur die Gedanken fließen lasse, hilft mir.

Als ich von diesem Workshop wieder nach Hause zurückkehre, fängt für mich der Schulalltag als Lehrerin wieder an ( 2010) und ich fühle mich dieser Aufgabe überhaupt nicht gewachsen. Ein Gutes blieb aber: Barbara Lidfors, die Leiterin dieses Workshops ermutigt mich, mich bei einem Malkurs anzumelden. Volkshochschulkurse hatte ich früher schon mal versucht, und ich überlegte, wo ich wohl hingehen könnte…

Im September 2010 sah ich mir die Semesterausstellung der Studenten der Schwäbisch Haller Kunstakademie an. Ich stand sehr gedankenverloren vor diesen Arbeiten und dachte: Das sind Werke von Studenten, die haben es gut, die sind begabt und jung… In diesem Moment sprach mich ein älterer Herr an ( wie sich später herausstellte, war das Michael Klenk, der Leiter der Akademie). Er sagte : „Das können Sie auch!“ Einfach so, ohne , dass er mich kannte, ohne, dass wir vorher Worte gewechselt hatten. „Das können Sie auch!“ Als ob er meine Gedanken gelesen hätte…ich hatte mir das ja gar nicht zugetraut. Er gab mir einen Flyer und ich meldete mich an, in der Kunstakademie Schwäbisch Hall.